In unserem Magazin interviewen wir inspirierende Menschen und Zukunftsgestalter:innen aus Wissenschaft, Kunst und Wirtschaft. Wir stellen immer dieselben Fragen und bitten um die eigene Perspektive zu einem wechselnden Zukunftszitat.
Ich freue mich sehr, dass sich Katja Herwig Zeit für unsere Fragen genommen hat. Katja Herwig leitet als People&Organization Development Specialist internationale HR-Projekte bei der Sartorius AG, einem großen Biopharmaunternehmen mit Sitz in Göttingen. Parallel hat Katja mit Seelengold Coaching ein Herzensprojekt auf den Weg gebracht und begleitet als systemischer Coach Menschen bei privaten und beruflichen Veränderungen. Das Frauen-Netzwerk HIGH5 Coaching hat sie mitgegründet. HIGH5 Coaching hat sich zum Ziel gesetzt, Teams in ihrer Entwicklung zu begleiten.
Mit ihrer Passion für Menschen, Entwicklung, komplexe Projekte und ihrer „Can-do“-Mentalität begeistert Katja mich und viele andere – und bringt damit ganze Communities auf den Weg. Ich freue mich sehr, dass sie sich die Zeit für unsere Interview-Reihe genommen hat.
Viel Freude beim Lesen und eintauchen in, wie ich finde, sehr inspirierende Gedanken einer höchst aktiven Zukunftsgestalterin.
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[1] Zukunft – Was bedeutet Zukunft für Dich?
Katja Herwig: Zukunft hat für mich drei Facetten: Erstens, Vorfreude, denn Zukunft eröffnet Möglichkeiten für Gestaltung und Entfaltung i.S.v. „Ich kann jeden Tag neu entscheiden.“ Zweitens denke ich auch an Unsicherheiten, die mich beunruhigen, wie z.B. Krieg, Klimakrise und Inflation. Als dritten Punkt sehe ich Verantwortung, denn ich frage mich häufig, was ich tun kann, um für mich und meine Umwelt eine Zukunft zu erschaffen, in der ich leben möchte.
[2] Zukunft bzw. Zukünfte: Planst Du sie oder lässt Du sie auf Dich zukommen?
Katja Herwig: Ich bin grundsätzlich eine Planerin, da ich gerne aktiv bin und gestalte. In den letzten Monaten habe ich jedoch während einer längeren Krankheitspause gelernt, wie wichtig es ist, im Moment zu sein und auf die Signale von Körper und Geist zu hören. Wenn es die Situation erfordert – besonders wenn es um die eigene Gesundheit geht – ist es manchmal notwendig, alle Pläne über Bord zu werfen, Kontrolle abzugeben und sich treiben zu lassen. So schwer mir das generell fällt, so leicht und befreiend fühlt es sich dann an, wenn die Entscheidung getroffen ist und ich die Dinge annehmen kann, wie sie kommen.
[3] Wie viel Blick zurück in die Vergangenheit braucht es aus Deiner Sicht, um wünschenswerte Zukunft zu gestalten?
Katja Herwig: Vergangenheit ist wichtig, da sie uns zu dem gemacht hat, was wir heute sind. Mein Motto ist, dass wir nichts bereuen sollten, weil wir in jedem Moment die für uns bestmögliche Entscheidung getroffen haben. In diesem Sinne war jede als falsch empfundene Abzweigung in unserem Leben ein wichtiger Umweg, um uns besser kennenzulernen, alte Glaubenssätze zu hinterfragen und Lebensziele neu auszurichten. Meiner Meinung nach ist es wichtig, die eigene Vergangenheit zu verstehen, um Zukunft gestalten zu können. Noch wichtiger ist es aber, in der Gegenwart zu leben. Nur jetzt und hier können wir wählen, wie wir ab morgen leben wollen, ob wir etwas verändern möchten und welchen Zukunftsbeitrag wir bereit sind zu leisten.
[4] Zukunftsmut, Zukunftsangst, Zukunftsrealismus… Welchen Begriff würdest Du unterstreichen oder ergänzen, wenn es um die Frage geht, was es braucht, um Veränderungen voranzubringen, die – einmal ganz global gesprochen – zu einer Weiterentwicklung führen.
Katja Herwig: Ich denke, es gibt unzählige Gründe, um Angst vor der Zukunft zu haben. Aber: Angst lähmt! Daher möchte ich mich hier für Zukunftsmut aussprechen. Und mit Mut meine ich ganz sicher nicht Naivität! Ich denke, es braucht mutige Menschen, die einen realistischen Blick auf die Welt haben und positive Veränderung herbeiführen. Das müssen gar nicht immer große und laute Veränderungen sein, sondern können auch kleine Veränderungen der inneren Haltung sein, die man z.B. durch ein Gespräch erzeugen kann. Diese mutigen Menschen werden andere Menschen mitreißen und genau das brauchen wir: Netzwerke, Teams, Gruppen, die eine Passion eint, können eine wahnsinnige Stärke hervorbringen. Auch wenn der Spruch vielleicht schon abgedroschen ist: „Jede Veränderung startet mit dem ersten kleinen Schritt.“ Den können wir alle machen und der bewirkt vielleicht mehr, als wir manchmal denken.
[5] Welche Top 5 Kompetenzen braucht es aus Deiner Sicht künftig mehr denn je und warum – wenn Du den Fokus auf Menschen in Organisationen richtest?
Katja Herwig:
Vision. Unsere Welt wird immer dynamischer und komplexer. Wir brauchen Leader (damit meine ich nicht unbedingt Führungskräfte), die vorangehen und eine Vision aufzeigen, die Menschen mitreißt. Menschen verändern sich, wenn sie müssen oder wenn sie wollen. Wäre es nicht viel schöner, wenn mehr Menschen sich verändern wollten als dass sie es müssten?
Kommunikation. In nahezu jedem Projekt, bei dem ich bis heute mitwirken durfte, ist Kommunikation in den „Lessons Learned Workshops“ ein verbesserungswürdiger Punkt. Change Management ist für mich vor allem Kommunikation. Dabei geht es mir nicht darum, Menschen mit anderen Meinungen von meiner Meinung zu überzeugen, sondern vielmehr darum, zu verstehen, warum sie dieser Meinung sind.
Empathie. Für mich ist Leistungsorientierung und Menschlichkeit kein Widerspruch. Ich bin überzeugt davon, dass motivierte, wertgeschätzte Mitarbeiter:innen viel mehr Leistung erbringen als jene, die verängstigt sind und unter Druck arbeiten.
Flexibilität. Zukunft braucht Flexibilität. Das beziehe ich zum einen auf Führungskräfte, die flexibel mit aufkommenden Herausforderungen umgehen müssen, und zum anderen auf Teams, die für diese neuen Situationen Lösungen erarbeiten. Hier braucht es meiner Meinung nach einen guten Mix aus Planung und Spontanität.
Authentizität. Diversität ist ein großes Wort, das heutzutage in aller Munde ist. Zurecht, wie ich finde, denn wenn wir alle gleich denken, aussehen und reden würden, wo bliebe der Raum für Kreativität und Innovation? Akzeptanz und Toleranz fördern Authentizität. Wenn sich jeder Mensch privat wie beruflich so zeigen könnte wie er wirklich ist, würden wir vermutlich alle ein leichteres Leben haben.
[6] Welche Deiner Entscheidungen hat Deine Zukunft am entscheidendsten verändert?
Katja Herwig: Es ist eine Entscheidung, die mich nach wie vor herausfordert – die Entscheidung, es nicht allen recht machen zu wollen. Meine inneren Antreiber sind „Sei perfekt“ und „Sei gefällig“, was grundsätzlich schon eine anspruchsvolle (um nicht zu sagen unerfüllbare) Kombination ist. Ich versuche immer mehr den Fokus darauf zu richten, wie ICH mir meine Zukunft vorstelle – wissend, dass es immer jemanden geben kann, der es nicht gut findet oder anders machen würde. Genau das versuche ich auch, meinen Klient:innen mit auf den Weg zu geben: „Was würde es dir bringen, zu wissen, was dein Coach/dein Mann/dein Chef etc. an deiner Stelle machen würde? Du selbst hast die Verantwortung für dein Leben, niemand sonst.“
[7] Was kommen wird ist nicht vorhersehbar. Der Raum der Unbestimmtheit kann Abenteuer sein und den Gestalter:innen- und Entdecker:innengeist wecken. Es kann jedoch auch Unbehagen aufkommen, sich in unbekanntes Terrain zu begeben. Welche Idee zum Umgang mit dem Unbestimmten Kannst Du unseren Leser:innen mitgeben?
Katja Herwig: Ich bin aufgrund meiner Prägung eher der Sicherheitstyp und stimme zu, dass eine 1-, 3- und 5-Jahres-Vision hilfreich ist, um die eigenen Ziele zu verfolgen. Aber wenn ich ehrlich bin, hätte ich vor 3 Jahren nie gedacht, dass ich heute als Personal- und Organisationsentwicklerin und Coach arbeiten würde, was mich sehr erfüllt. Daher kann ich nur an die eigene Intuition appellieren, die sehr gut weiß, bei welchen Chancen wir zuschlagen sollten. Diese Chancen ergeben sich oft auf anderen Wegen als die, die wir mal vor vielen Jahren geplant hatten. Daher ist der Sprung ins kalte Wasser oft hilfreich, um die eigenen Stärken zu erkennen, um zu wachsen und um sich besser kennenzulernen. Ich für meinen Teil kann sagen, dass wir in jedem Raum der Unbestimmtheit Menschen an unserer Seite haben sollten, die an uns glauben und uns fördern.
[8] Astrid Lindgren soll einmal gesagt haben: „Alles, was an Großem in der Welt geschah, vollzog sich zuerst in der Fantasie des Menschen.“ Welche Bedeutung hat für Dich Fantasie?
Katja Herwig: Ich bin ein sehr kreativer Mensch und habe ständig neue Ideen. Fantasie spielt dabei eine große Rolle, da sie Impulse gibt und erlaubt, Situationen zu erträumen, die man sich bisher gar nicht vorzustellen gewagt hat. Es gab eine Zeit, in der ich nicht zu positiv in die Zukunft schauen wollte, um nicht enttäuscht zu werden. Mittlerweile bin ich überzeugt davon, dass jede:r von uns sich die Zukunft in den buntesten Farben ausmalen sollte. Denn eins ist klar: Wenn wir selbst nicht daran glauben, dass eine rosige Zukunft vor uns liegt, wer denn dann?
Ganz herzlichen Dank für Deine Gedanken, liebe Katja! Deine Antworten haben mich sehr inspiriert und ich wünsche alle Leserinnen und Lesern des Beitrages genauso viel Zukunftsmut wie Du ihn ausstrahlst und in Deine Wirkungsbereiche einbringst.
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